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Selbsthilfegruppen

Notruftelefone

Internet

Selbstverarztung

Was man sonst noch tun kann...

Selbsthilfegruppen

Selbsthilfegruppen stellen nicht unbedingt eine Alternative zur konventionellen Therapie dar. Sie sind aber oft eine sinnvolle Ergänzung, in einigen Fällen wirkt vielleicht auch schon die Selbsthilfegruppe genügend stabilisierend auf die Betroffenen. Inwieweit eine Selbsthilfegruppe helfen kann, muss die / der Betroffene selbst herausfinden, denn wie die meisten Dinge hat auch dies Vor- und Nachteile, mit denen man sich auseinandersetzen sollte.

Ich weiß bisher nur von einer Selbsthilfegruppe, wobei ich sicher bin, dass es in jeder größeren Stadt mindestens eine Selbsthilfegruppe gibt.

In Deutschland gibt es, genauso wie in Österreich und in der Schweiz, eine bundesweite Anlaufstelle. Die Infostelle (ehemals SEKIS – Selbsthilfegruppe und Kontakt- und Informationsstelle Berlin) heißt nun NAKOS – Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen - und befindet sich in der Albrecht-Achilles-Straße 65, 10709 Berlin.

Natürlich gibt es auch immer die Möglichkeit der Gründung einer eigenen Selbsthilfegruppe, wobei dies mit einem nicht geringen Aufwand verbunden ist (was sich unter Umständen positiv, aber eben auch negativ auswirken  kann). Hierzu möchte ich wieder auf Smith / Cox / Saradjian verweisen, die sehr gute Tipps zum Gründen einer Selbsthilfegruppe (S. 91-97) geben, aber auch auf die Risiken und Schwierigkeiten eingehen.

Für Anregungen, Ergänzungen zu dieser Rubrik bin ich dankbar und werde sie schnellstmöglich ergänzen bzw. korrigieren. Bitte mailt mir, wenn ihr von einer Selbsthilfegruppe (für Betroffene, Angehörige, Eltern, Partner, Freunde) in eurer Umgebung wisst, ich werde immer wieder gefragt und bin einfach auch nur lokal tätig und würde, neben der Tatsache, dass es mich selbst interessiert, wie viele und wo es Selbsthilfegruppen gibt, die Informationen gern weitergeben (können).

info@selbstverletzung.com

 

Notruftelefone

Neben Selbsthilfegruppen gibt es noch die Möglichkeit von Notruftelefonen, von denen es in jeder größeren Stadt mehrere gibt und die ja schließlich – via Telefon – auch von außerhalb zu erreichen sind.

Einige wenige dieser Telefone sind rund um die Uhr besetzt, die meisten jedoch nur zu bestimmten Zeiten. Deshalb sollte man sich nach Möglichkeit vorsorglich mehrere Nummern notieren mit den entsprechenden Erreichbarkeiten, um im Notfall nicht eine zusätzliche Belastung herbeizuführen, die die Anspannung erhöhen würde und das SVV dann umso mehr legitimiert (wenn niemand den Hörer abnimmt und man sich noch mehr zurückgewiesen, alleingelassen fühlt).

Aktuelle Nummern von Notruftelefonen findet man oft in Tageszeitungen oder bekommt sie bei Bürgertelefonen. Auch in den gelben Seiten stehen Notruftelefonnummern (auf den ersten Seiten unter Hilfe).

Notruftelefone haben auch wieder Vor- und Nachteile. Ein Nachteil wurde bereits genannt. Ein großer Vorteil für viele Betroffene (auch gegenüber einer Selbsthilfegruppe) ist jedoch die Anonymität sowie der rein verbale Austausch – vielen Personen fällt es schwer, face-to-face über ihre Probleme zu berichten. Außerdem bietet das Telefon eine Möglichkeit der maximalen Kontrolle – man kann jederzeit den Hörer auflegen (worin natürlich auch wieder ein Nachteil liegt, weil es evtl. triggern könnte).

Neben den verschiedenen regionalen und lokalen Notrufnummern, die ihr euch bitte selbst heraussucht, gibt es eine kostenlose Notrufnummer für missbrauchte Kinder und Jugendliche. Dort sind erfahrene Betreuer am Telefon:

0800 – 111 0 333

Mehr Infos unter http://www.savinganangel.com

Internet

Wenn man über einen Internetanschluss verfügt, gibt es außerdem noch die Möglichkeit, sich auf speziellen Seiten sowohl zu informieren (dass man z.B. nicht alleine mit der Selbstverletzung ist) als auch in Chatrooms oder über bestimmte Foren auszutauschen. Dies bietet ähnliche Vor- und Nachteile wie die Notruftelefone. Die Anonymität ist hier allerdings noch etwas höher, außerdem besteht meiner Meinung nach auch eine größere Gefahr des Triggerns, da es sich eben fast ausschließlich um auch Selbstbetroffene handelt. Dessen muss man sich bewusst sein.

Andererseits denke ich aber auch, dass das Internet mit seiner globalen Vernetzung und damit einer viel größeren Anzahl an Information(saustausch) eine gute Möglichkeit des Austauschs und der Hilfe darstellen kann. Immerhin gibt es auch öfters positive Berichte, d.h. von Personen, die mit der Selbstverletzung aufhören oder schon aufgehört haben und somit zeigen, dass es zu schaffen ist.

Außerdem gibt es auch im Internet Beratungsseiten sowie Notruftelefone.

Adressen von einigen Internetseiten findet ihr unter der Rubrik Links.

Selbstverarztung

Ich nehme unter der Rubrik Selbsthilfe auch das Thema der Selbstverarztung auf, da ich weiß, dass es den Betroffenen in vielen Fällen nicht möglich ist (ob nun aus Scham, schlechter Erfahrung oder aus anderen Gründen), einen Arzt aufzusuchen.

Ich weiß auch, dass dies oft eine sehr lange Zeit unmöglich ist. Ich bin aber auch der Meinung, dass es sehr wichtig ist, einen Arzt aufzusuchen – allerdings vielleicht nicht unbedingt in einer Notfallsituation in der Notaufnahme. Oft stellt die hier zugeteilte Behandlung eine erneute negative Erfahrung dar. Wenn es jedoch (noch) nicht möglich ist, einen Arzt des Vertrauens aufzusuchen, so gebe ich eine Empfehlung weiter, wenn es doch einmal zu einer Notfallversorgung im Krankenhaus kommen sollte:

Man sollte sich eine Krisenkarte vorbereiten, auf der das Problem kurz beschrieben ist und Vorschläge, wie geholfen werden kann, vermerkt sind. Das verhindert evtl. falsche Behandlung oder auch einfach nur schmerzvolle. Diese Karte soll dazu dienen, in Krisenfällen, in denen man vielleicht nicht mehr klar für sich sprechen kann, dem behandelnden Arzt das Problem darzulegen. Eine andere (zusätzliche) Möglichkeit ist auch die Auswahl einer Vertrauensperson für solche Fälle, die abgesprochenerweise für Dich / Sie spricht.

Ist es aus bestimmten Gründen aber nicht möglich oder ihrer Meinung nach nicht notwendig (was zu definieren ist), einen Arzt aufzusuchen, ist es sehr wichtig, dass Sie sich nach einer Verletzung gut versorgen (können).

Hierbei spielt die Ausstattung des Verbandskastens eine große Rolle und natürlich die ‚Erreichbarkeit’ desselben. So sollten Sie einen aus der Apotheke ausgestatteten Verbandskasten in Ihrem Haushalt haben, alle darin vorhandenen Mittel sind für die leichte Wundversorgung ausreichend, bei schwereren Verletzungen sollten Sie unbedingt einen Arzt aufsuchen. Dazu gehören beispielsweise:

  • tiefe Schnitte
  • Brandwunden
  • Vergiftungen
  • Anzeichen einer Blutvergiftung

Alternativen zu SVV: Was kann man sonst noch selbst tun, außer sich selbst verletzen?

Inwieweit die folgenden Empfehlungen ohne Anleitung durchzuführen sind, hängt wie immer von jeder Person selbst ab, es kann also sein, dass es beim einen funktioniert, beim anderen hingegen überhaupt nicht.

Ein wesentlicher Punkt, um mit der Selbstverletzung aufzuhören, ist die Abschaffung bzw. Durchbrechung von den jeweils individuell typischen Verhaltensmustern. Dies wird auch in jeder Therapie bearbeitet. Ein paar Punkte, mit denen man es selbst versuchen kann, sollen aber im Folgenden genannt werden.

Bevor man Verhaltensmuster beseitigen / ersetzen kann, muss man sie aber erst einmal entdecken.

Eine Möglichkeit hierzu ist das Führen von Gefühlsprotokollen. Diese können sowohl in schriftlicher als auch audieller Form (Diktaphon oder Walkman mit Aufnahmefunktion) geführt werden.

In diesen Protokollen werden z. B. Zeitpunkte (Tag, Monat, Jahr, Uhrzeit) des SVV sowie evtl. Bedeutungen dieser Zeiten, weiterhin die davor, dabei, danach auftretenden Gefühle und Beschreibungen der Situationen festgehalten. So können die vorhandenen Muster entdeckt werden. Außerdem sollten in den Gefühlsprotokollen auch Situationen festgehalten werden, in denen die SVV (wenn auch unter größter Anstrengung) nicht zum Einsatz kam. Was waren die alternativen Handlungen? Was hat geholfen, sich nicht zu verletzen? Diese Erfolge sind unbedingt auch festzuhalten, damit man sich daran erinnern kann (Meist ist es nämlich hier, wie auch im übrigen Leben: die guten Erfahrungen ‚vergisst’ man schneller als die schlechten!).

Wie schon gesagt birgt das Führen von Gefühlsprotokollen auch Schwierigkeiten: so ist es für viele Betroffene gar nicht möglich, ihre Gefühle wahrzunehmen. Vielmehr ist es ein Wust an Gefühlsvermischungen, der oft zur Anspannung führt und dann erst durch SVV ‚gelöst’ werden kann. Dann fällt es auch schwer, diese Protokolle zu führen bzw. den Auslöser für SVV zu finden. Man kann es aber trotzdem versuchen oder sich mit einer Vertrauensperson verständigen (wenn man es noch nicht schafft, einen Therapeuten aufzusuchen), die einem evtl. bei der Entwirrung der Gefühle helfen kann. Hier stehen auch wieder die schon genannten anderen Selbsthilfemöglichkeiten zur Verfügung (Notruftelefone, Internet-Chat), wenn man noch niemanden in seinem persönlichen Bekanntenkreis ausreichend vertrauen kann.

Ein sehr wichtiger Schritt bei der Durchbrechung der Verhaltensmuster ist dabei vor allem auch, die eigenen Gefühle realistisch zu betrachten und zu akzeptieren. Das mag am Anfang schwierig und ungewohnt sein, vor allem weil es ja nicht selten vorkommt, dass einem Gefühle oder Reaktionen von der Umwelt (insbesondere auch bei Kindern) als unberechtigt abgesprochen werden oder einem Verhaltensweisen vermittelt wurden / werden, die Aggression und Wut nicht beinhalten dürfen. Da Aggressionen und Wut aber ganz normale Reaktionen und Gefühle sind, müssen sie auch ‚irgendwohin’. Und das soll nicht gegen einen selbst sein.

Es steht jedem zu, Gefühle zu haben. Das ist ein Satz, der sich irgendwie komisch anhört, weil man eigentlich davon ausgehen sollte, dass dies selbstverständlich ist. Da es das aber leider nicht ist, muss man solche Sätze eben auch einfach mal aufschreiben (Das kann man wirklich machen: Einen Zettel (nicht zu klein) nehmen und darauf schreiben: ICH HABE EIN RECHT AUF MEINE GEFÜHLE! und diesen gut sichtbar im Zimmer anbringen oder auch viele kleine Zettel mit diesem Satz an verschiedenen wichtigen Stellen verteilen).

Also, noch mal zur Wiederholung: Es ist wichtig, seine eigenen (und damit natürlich auch die von anderen, aber nicht als ersten Schritt!!! An erster Stelle steht man jetzt mal selbst!) Gefühle zu akzeptieren. Man hat das Recht, so zu fühlen.

Oft bzw. wahrscheinlich immer ist das ein sehr schmerzhafter Prozess, weil – um zu diesem Punkt zu kommen (seine Gefühle wahrzunehmen und dann akzeptieren zu lernen) – zuerst das ursprüngliche Trauma noch einmal durchlebt werden muss, um es verarbeiten zu können. Dass dies am besten unter professioneller Hilfe und Unterstützung geschieht, habe ich schon an anderer Stelle gesagt, möchte es hier aber noch einmal betonen.

Damit verbunden ist der Schritt, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, und zwar nicht über SVV, sondern erst einmal über Sprache, als nächstes über direkte Reaktionen – d.h. wenn sich evtl. auftretende Gefühle gegen andere richten, diese auch den betreffenden Personen mitteilen. Man kann auch einfach anfangen, den Personen aus dem nahen Umfeld (denen man vertraut) jeden Tag über das eigene Befinden zu berichten.

Das hört sich jetzt alles so einfach an, aber natürlich ist mir klar, dass es das nicht ist. Aber es ist zu schaffen! Oft wird das Umfeld zunächst überrascht – manchmal sicher auch geschockt und nicht verständnisvoll – reagieren. Einfach, weil sie das so nicht gewohnt sind, man war doch immer so verständnisvoll, eine gute Zuhörerin, sich ‚nicht in den Vordergrund drängend’! Aber das ist egal! Immer wieder den Satz vor Augen: Ich habe ein Recht auf meine Gefühle! Und Gefühlsausbrüche sind ein sehr wichtiger Teil des Heilungsprozesses. Und sicher findet jeder (vielleicht auch neue) Personen, die Verständnis haben und dann wird der schmerzhafte Prozess bzw. die Überwindung mit großer Erleichterung ‚belohnt’ (die man sich zum allergrößten, wenn nicht ganzen Teil selbst verschafft hat!). Ich möchte hier ein Zitat aus einem Buch (Smith / Cox / Saradjian, S. 113) anbringen, um das etwas plastischer zu verdeutlichen:

„ Als ich meinen Freund das erste Mal anschrie, war es für uns beide ein Schock. Er hatte etwas organisiert, was ich nicht wollte. Ich war verärgert. Normalerweise hätte ich in so einem Fall vor mich hingebrütet, nichts gesagt, mich zurückgehalten. Ich hätte gehofft, dass er das merkt. Wenn er es nicht gemerkt hätte, wäre ich immer wütender und angespannter geworden, bis ich mich geschnitten hätte. Aber diesmal war alles anders, ich schrie ihn tatsächlich an und er schrie zurück. Dann fiel es uns auf, wir lachten, und er umarmte mich. Ich schrie ihn wirklich an, und er akzeptierte meine Wut. Es war erstaunlich. Ich fühlte mich so frei.“                                                                  Lucy

So wird wahrscheinlich auch das dringende Gefühl nach Selbstverletzung schneller zu überwinden sein, wenn Gefühle, Schmerz ausgedrückt werden und das auch noch von anderen Menschen anerkannt wird. Jeder wünscht sich das und für jeden ist es auch wichtig, dass die Gefühle, die man hat, anerkannt und bestätigt werden.

Danach kommt die Äußerung von Bedürfnissen. Danach deshalb, weil man zunächst seine Gefühle wahrnehmen muss, bevor man seine Bedürfnisse herausfinden kann. Denn so wie jeder ein Recht auf Gefühle hat, hat er auch einen Anspruch auf Bedürfnisse (auch wenn diese nicht immer befriedigt werden können).

Und hier kann man z.B. wieder ein Muster aufdecken. Kommt es immer zu SVV, wenn man z.B. das Bedürfnis nach Zuwendung, Trost, Aufmerksamkeit, Spaß mit anderen etc. hat?

Sicher kommt es sehr häufig zu SVV, wenn schmerzhafte Gefühle übermächtig werden und man es nicht ertragen kann bzw. in den Zustand der Dissoziation kommt. Dann kann es helfen, wenn man sich SVV auch als Suchtverhalten klar macht (im Vorfeld) und sich langsam von der Überzeugung verabschiedet, dass SVV diese Gefühle vertreibt (sicher schafft es das, aber nicht wirklich, nur kurzfristig – was manchmal sicher erst mal ausreicht). Aber hier ist jede Stunde, jeder Tag, jede Situation, in der man es schafft, dem Drang nicht nachzugehen, ein Schritt in Richtung Heilung. Dazu ist es dann natürlich notwendig, Ersatz- / Alternativhandlungen zu finden . Dabei hängt die Alternative entscheidend von der Intensität des SVV ab. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, wenn man sich jahrelang schwer verletzt hat, von einem auf den nächsten Tag aufzuhören (ich weiß nicht, ob es solche Fälle auch gibt). Aber in den meisten Fällen wird das SVV erst mal durch eine abgemilderte Form ersetzt. Ob das nun Eiswürfel auf der Haut sind, das Schnipsen von Gummibändern gegen die Haut, Kneifen oder Alkohol, gestörtes Essverhalten - es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die nicht unbedingt ‚besser’ sind, aber realistischer ist es, es so zu versuchen als gar nicht. Vielleicht hilft aber auch schon Sport treiben. Squash, Joggen, Boxen helfen besonders gut, aber auch sonst ist (fast) jede Sportart eine gute Alternative, weil man dabei sehr gut seinen Körper spüren kann.

Oder man schreit einfach mal alles aus sich heraus. Das ist nicht unbedingt an jedem Ort möglich (möglich schon), aber es kann schon dazu führen, dass man komisch angeschaut wird und das wiederum sehr unangenehm sein kann. Man kann sich aber auch ein Plätzchen suchen, wo das möglich ist (Wald, Wiese...).

Eine andere Möglichkeit, SVV zu vermeiden, ist es, Situationen aufzusuchen, in denen SVV nicht möglich ist, z.B. Treffen mit Freunden. Oder sich andere Ablenkungen suchen.

Ein weiterer entscheidender Punkt ist das ‚Erlernen’ von Techniken der Selbstfürsorge und Entspannung, die kein SVV (und zwar auch nicht in abgemilderter Form) sind.

Das können verschiedene Entspannungstechniken wie Yoga, Meditation, Atemübungen sein, zu denen es zahlreiche Literatur und auch Kassetten oder CD’s gibt (die man teilweise auch schon kostenlos bei der Krankenkasse bekommt). Aber auch ein entspannendes Bad, ein schönes Essen, ein Wellness-Pflege-Tag für den ganzen Körper – sich etwas gönnen, was man sich schon lange wünscht. Jeder hat ein Recht auf Genuss und schöne Erlebnisse.

Was natürlich auch nicht unbedeutend auf dem Weg der Heilung ist, ist das Erkennen von Auslösern und dabei auch evtl. die Akzeptanz dessen, diese Situationen zu meiden bzw. zu verlassen, weil sie einfach nicht gut für einen sind. So denke ich dass es in vielen Fällen, in denen z.B. eine Missbrauchsproblematik vorliegt, unvermeidbar ist, den Kontakt zu diesen Personen abzubrechen. Und manchmal / oft sind damit auch die Personen verbunden, die dies zugelassen haben bzw. einem nicht geglaubt haben. Das ist für die meisten sehr schmerzhaft, aber in Verbindung mit einer Auseinandersetzung mit diesem Entschluss, sehr befreiend und erleichternd.

Das gilt nicht unbedingt für alle Auslöser. Oft hat man ja inzwischen Verhaltensweisen entwickelt (Alkohol, Drogen o.a.), die zu Auslösern werden, die sich aber im Prozess der Heilung verändern können, sprich nicht dauerhaft Auslöser bleiben müssen. Zum Auslöser kann z.B. auch der Kontakt mit anderen Personen, die sich selbst verletzen, werden. Das hängt aber immer von der eigenen Verfassung ab.

Was für jeden Menschen wichtig ist und bei Menschen, die sich selbst verletzen oft nur rudimentär oder auch gar nicht vorhanden ist, ist das Setzen von Grenzen. Grenzen nach außen, aber auch Grenzen für sich selbst. Was kann ich mir zumuten bzw. was ist für mich gut? ‚Nein’, ‚Stop’ sagen sind wichtige Ausdrücke.

Das alles sind natürlich nur kurze Beschreibungen eines langen Weges der Heilung, die auch nicht vollständig sind und außerdem bei jedem unterschiedlich verlaufen können. Es darf auch nicht unterschätzt werden, dass es auch zu Rückschlägen kommen kann – diese sind aber o.k. und kein Grund, sich dafür zu hassen, zu bestrafen.

Die aufgeführten Selbsthilfetechniken sind, wie auch schon gesagt, auch nicht für jeden umsetzbar. Manche mögen es nicht ohne Hilfe von außen schaffen, diesen anstrengenden Weg durchzuhalten. Aber bitte deswegen nicht wieder die Schuld bei sich suchen oder sich unfähig fühlen. Es ist keine Schande, sich Hilfe zu holen. Wenn – auch wenn das sicher nicht zu vergleichen ist – unser Kühlschrank kaputt ist, holen wir uns schließlich auch einen Fachmann!

Noch einmal zusammengefasst in übersichtlicher Kurzform:

Alternativen zu SVV, was kann man tun, wenn der Drang, sich zu verletzen, da ist?

 

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Betroffene selbst auf ihrem Weg der Beendigung von SVV gefunden haben oder auch Ideen, die professionelle Helfer in Zusammenarbeit mit Betroffenen entwickelt haben. All das können Alternativen sein, die ausprobiert werden sollten. Jeder sollte herausfinden, was für ihn am besten geeignet ist. Nicht jedem wird es helfen, joggen zu gehen oder sich abzulenken.

Auch sind diese Alternaiven natürlich nie eine Garantie, aber eben eine Alternative, für die man sich (mindestens kurzfristig) entscheiden kann. Sollte so eine Alternative aber einmal nicht ausreichen und ihr ‚müsst’ euch verletzen, fühlt euch dafür nicht wieder schuldig, sondern konzentriert euch auf die Momente, den Zeitraum, in dem ihr es ohne SVV geschafft habt!

 

Ihr könnt euch körperlich auspowern

  • Beispielsweise indem ihr spazieren, joggen, rennen, schwimmen, Fahrradfahren, Inlineskaten geht oder
  • Treppen hoch und runter lauft
  • gegen einen Punchingball, eine Matratze oder ein Kissen boxt oder
  • ihr den Versuch unternehmt, ein Telefonbuch zu zerreißen und
  • intensives Weinen zulasst oder
  • Mal richtig laut schreit (an einem für euch geeigneten Ort)

 

Ihr könnt versuchen, euch aktiv abzulenken mit Beschäftigungen, die Aufmerksamkeit und Konzentration erfordern, wie beispielsweise

  • Euer Zimmer mal so richtig „von oben nach unten“ aufräumen
  • Hausaufgaben machen
  • Hausarbeiten verrichten: aufräumen, putzen, sortieren…
  • versuchen etwas Neues zu erlernen: Musikinstrument, Handarbeiten etc.
  • Falls ihr ein Haustier habt: beschäftigt euch mit diesem!
  • lautes Musik hören und dabei genau auf den Songtext achten
  • ein Zufallsobjekt aussuchen und möglichst viele Verwendungszwecke dafür aufschreiben
  • sich auf einzelne Körpervorgänge (Atmen, Schlucken, Hören, Riechen) oder Handlungsabläufe (Trinken, Essen, Gehen, Bewegen) in seinen Einzelschritten konzentrieren

 

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, eure Gefühle kreativ auszudrücken, z.B. durch

  • Malen in den verschiedensten Formen, Größen, Farben mit verschiedenen Malutensilien (Buntstiften, Ölfarbe, Wasserfarbe, Wachsstiften)
  • Plastisches Arbeiten (mit Ton, Gips, Knete, Salzteig)
  • „Basteln“: Arbeiten mit verschiedenen Materialien (z.B. Collagen aus verschiedenen Utensilien bauen)
  • Gedichte, Lieder, (Kurz)geschichten schreiben
  • Tagebuch schreiben

 

Sucht Kontakt zu vertrauten Leuten!

  • Trefft euch mit Freunden (zum Reden, Spazieren gehen, Einkaufen, Kochen)
  • Telefoniert mit Freunden
  • Schreibt Briefe! Auch an Euch selbst!
  • Ruft euren Therapeuten oder die Telefonseelsorge an
  • Vermeidet nach Möglichkeit das Alleinsein!

 

Tut Gutes, für EUCH!

  • Pflegen - baden, duschen, eincremen
  • Gönnt Euch etwas Leckeres zum Essen
  • Lest ein Buch oder auch eine Zeitung / Zeitschrift
  • Sehr Euch euren Lieblingsfilm auf Video / DVD an

 

Es gibt auch so genannte „Ersatz“handlungen für SVV:

  • ein Gummiband ums Handgelenk legen und schnalzen lassen
  • Eiswürfel auf die Haut drücken bis die Kälte schmerzt
  • kalt duschen (nicht heiß)
  • in eine Chillischote beißen oder etwas Tabascosoße in den Mund nehmen
  • mit Lebensmittelfarbe oder mit Henna oder einem wasserlöslichen Filzschreiber Verletzungen auf die Haut malen

 

Stellt euch in Zeiten, wenn es euch gut geht, einen Notfallkoffer zusammen:

  • Sucht euch einen schönen Karton (gestaltet diesen individuell) oder sogar einen kleinen Koffer, eine Tasche und
  • Packt in diesen lauter schöne Sachen rein: positive Erinnerungen (die euch nicht runterziehen) mittels Fotos, kleiner Andenken, Urlaubsmitbringsel; vielleicht eine Kuscheldecke oder ein Kissen; einen angenehmen Geruch; eure Lieblingsmusik; einen schönen Brief; euer Lieblingsbuch; einen Gutschein für (Schwimmbad, Sauna, Kino…) – vielleicht für zwei, dann könnt ihr noch jemanden einladen und mitnehmen; eine Dokumentation eurer SVV-Vermeidungsstrategien: wann, wodurch, mit wem
  • Aber auch Tempotaschentücher und eure funktionierende „Ersatzhandlung“ (Gummiband, Tabasco…)
  • „Aktualisiert“ und ergänzt diesen Koffer immer wieder!

 

Soweit es Euch möglich ist, versucht, SVV bewusst zu vermeiden und aufzuschieben:

  • Vermeidet bewusst Gedankengänge und Situationen, die euch runterziehen
  • Meidet Orte, die mit SVV zu tun haben
  • Spielt das „15-Minuten-Spiel“: Versucht, SVV zu verschieben (weil man es später immer noch tun kann)

 

Kein Ersatz für Selbstverletzungen sind:

  • Alkohol, Drogen, Tabletten
  • Surfen auf SVV- oder Suizidseiten!

 

Der Kurzüberblick stammt zum Großteil von der amerikanischen Webseite: http://www.palace.net/~llama/psych/injury.html

wurde aber durch einige zusätzliche Aspekte ergänzt, vor allem von der „Rote Linien“ Webseite, sowie durch eigene Ideen und aus Erfahrungen mit Betroffenen.